Ist es an der Zeit, aus Aktien auszusteigen?
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Chefanalytiker Bo Bejstrup Christensen sieht potenzielle Herausforderungen für den Aktienmarkt am Horizont.
Soll man sich jetzt von seinen Aktienbeständen trennen? Unsere Antwort lautet: „Noch nicht." Oder doch eher: „Vielleicht." Lesen Sie weiter, damit Sie unsere vielleicht etwas zweideutige Antwort verstehen. Aber lassen Sie uns zuerst den Rahmen abstecken: Globale Aktien sind von ihrem Tiefpunkt Anfang Februar über 10% gestiegen und nähern sich rasant ihrem Niveau von Ende 2015. Der Ölpreis liegt bis dato wieder über 40 USD pro Barrel, was einen Anstieg von fast 50% ausmacht. Die Sorgen über einen chinesischen Kollaps, eine europäische Bankenkrise und eine amerikanische Rezession scheinen sich in Luft aufgelöst zu haben. Selbst Aktien aus den Schwellenländern entwickeln sich besser als Aktien aus den USA, Europa und Japan. Wie in aller Welt können die Märkte in so kurzer Zeit eine solche Kehrtwende vollziehen? Und ist sie berechtigt?
Dieses Mal fangen wir von hinten an und erklären zuerst unser „Vielleicht". Wenn Sie viele Aktien in Ihrem Portfolio haben und die turbulente Phase im Januar und Februar mit einem schlechten Bauchgefühl durchlebt haben, ist es - ganz abhängig von Ihrem Anlageprofil - vielleicht an der Zeit zu verkaufen und somit die Übergewichtung zu reduzieren. Auch wenn wir davon ausgehen, dass globale Aktien weiterhin steigen werden und unsere eigene Übergewichtung beibehalten, gibt es mehrere Risiken am Horizont, die ohne weiteres eine erneute Nervosität an den Märkten auslösen können. Unsere eigene Übergewichtung in riskanten Vermögenswerten (Aktien, Unternehmensanleihen, etc.) halten wir aktuell für angemessen. Sie macht etwa 50% der maximalen Übergewichtung aus, die wir eingehen können.
Warum wir noch etwas an unseren Aktienbeständen festhalten
Als wir unsere Übergewichtung im Januar erhöht haben, waren wir der Meinung, dass die Märkte im Hinblick auf China, die negativen Folgen der fallenden Ölpreise und das amerikanische Wachstum zu nervös waren. Seither ist die chinesische Währung sehr stabil, die Regierung hat ihre Wirtschaftspolitik gelockert, der Ölpreis ist gestiegen und die US-Wirtschaft hat sich im Allgemeinen gut entwickelt. Der amerikanische Arbeitsmarkt sorgt schon lange für positive Überraschungen, und zuletzt scheint es selbst mit dem stark eingebrochenen Industriesektor allmählich bergauf zu gehen. Kurz gesagt: Die Welt ging auch dieses Mal nicht unter.
So wird es unserer Meinung nach weitergehen. Das gesunde Bankensystem und der starke Immobilienmarkt - der Bau von neuen Einfamilienhäusern in den USA hat gerade sein höchstes Niveau seit der Krise 2008 erreicht - stützen den Arbeitsmarkt, während die negativen Auswirkungen insbesondere des starken Dollars allmählich nachlassen. Somit rechnen wir in den kommenden Monaten mit steigendem Wachstum in den USA. Das ist in der Regel ein positives Szenario für Aktien. Die zurückhaltende Meldung der amerikanischen Zentralbank in dieser Woche unterstützt dieses Szenario ebenfalls. Die Situation in Europa sieht auch ganz vernünftig aus, nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Geldpolitik abermals gelockert und klar gemacht hat, dass sie die Möglichkeit der Banken zur Kreditvergabe unterstützt. Kurz gesagt sollten wir in den USA und Europa kurzfristig keine wirtschaftlichen Probleme erleben.
Auf kurze Sicht positive Aussichten in China
China ist eine etwas andere Geschichte. Die jüngsten Zahlen deuten darauf hin, dass das Wachstum im Industriesektor seit Ende 2015 zurückgegangen ist. Im Gegensatz dazu hat sich der Immobilienmarkt mit erneut steigenden Verkaufsaktivitäten und steigenden Immobilienpreisen deutlich robuster als erwartet gezeigt. Es gibt sogar Anzeichen, dass sich die Bautätigkeit nach einer langen Schwächephase ebenfalls zu regen beginnt. Die Ursache dafür ist unserer Meinung nach die deutliche Lockerung der Wirtschaftspolitik. Wir beziehen uns insbesondere darauf, dass sowohl Erst- als auch Zweitkäufer nicht mehr so viel anzahlen müssen und dass das Kreditwachstum nun wieder relativ hoch ist. Beides sollte in den kommenden Monaten das Wachstum stützen, während der rekordhohe Handelsbilanzüberschuss reichlich für ausländische Liquidität sorgen sollte, um die chinesische Währung zu schützen.
Alles in allem zeichnen wir ein Bild einer Weltwirtschaft, die in den kommenden Monaten keine großen negativen Überraschungen bereit halten sollte und - angeführt durch die USA - im Stande sein sollte, die Kurse von globalen Aktien weiter nach oben zu treiben. Deshalb behalten wir unsere moderate Übergewichtung bei.
Hier lauern die Bedrohungen am Horizont
Leider ist dieser Artikel an dieser Stelle noch nicht zu Ende. Wenn wir bis in den Sommer vorausblicken, können wir allmählich die Konturen eines Weltbildes erahnen, das riskante Vermögenswerte vor große Herausforderungen stellen kann.
Wir beginnen mit den naheliegendsten aller Risiken - den politischen. Großbritannien stimmt über seinen Verbleib in der EU ab, die Flüchtlingskrise in Europa spitzt sich möglicherweise analog zum wärmeren Wetter wieder zu und die amerikanische Präsidentschaftswahl steht ebenfalls vor der Tür. Nach diesen offensichtlichen, aber schwer quantifizierbaren Risiken können wir unseren Investmentprozess nicht ausrichten, aber je positiver die Stimmung an den Finanzmärkten ist, desto anfälliger sind sie für negative Schlagzeilen.
Aber die größten Sorgen drehen sich wie immer um die Weltwirtschaft.
Chinas Lockerungsmaßnahmen halten nicht ewig an. Es handelt sich um eine mittelfristige Konjunkturspritze, deren Wirkung später wieder verpufft. Die Schuldenberge wachsen erneut zu stark, und die niedrigeren Anzahlungsanforderungen an Immobilienkäufer ziehen heute Käufer an, die morgen fehlen. Je mehr das Wachstum in den kommenden Monaten anzieht, desto eher besteht das Risiko, dass es später wieder nachlässt. Speziell den Immobilienmarkt betrachten wir nach wie vor mit Skepsis. Es gibt immer noch viel zu viele unverkaufte Immobilien, und ein erneutes Wachstum bei Neubauten ist unhaltbar. Deshalb kann China zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr durchaus für negative Überraschungen sorgen.
Wir bereiten uns auf einen Verkauf vor, wenn die Zeit reif ist
Das ist wichtig, da die aufkeimende positive Stimmung rund um China die Rohstoffpreise stark in die Höhe treiben wird. Deshalb sind steigende Rohstoffpreise für uns unhaltbar. Deutlich höhere Ölpreise ebenfalls, da sie die notwendigen Anpassungen in der Produktion verhindern. Neben den Rohstoffpreisen bekamen die Schwellenländer auch Unterstützung durch die niedrigen Zinsen in den USA sowie durch die Lockerungsmaßnahmen der EZB und die zurückhaltenden Kommentare der Fed.
Insbesondere bei der amerikanischen Zentralbank erwarten wir eine Wende. Im Gegensatz zu Janet Yellen sehen wir klare Anzeichen für ein steigendes Lohnwachstum, und wenn sich unsere Erwartungen bewahrheiten, wird der Arbeitsmarkt noch mehr unter Druck geraten. Deshalb gehen wir davon aus, dass die Fed dieses Jahr die Zinsen erneut erhöhen wird. Auch wenn das vor dem Hintergrund eines höheren US-Wirtschaftswachstums geschähe, könnten globale Aktien eine Kombination aus einem potenziell rückläufigen chinesischen Wachstum, fallenden Rohstoffpreisen und steigenden US-Zinsen nur schwer verdauen.
Deshalb lautet unsere Botschaft zum aktuellen Zeitpunkt: Verkaufen Sie Ihre Aktienbestände noch nicht, falls Ihre Übergewichtung angemessen ist. Wir bereiten uns jedoch schon einmal darauf vor, einen Teil unserer Bestände zu verkaufen - und wir werden Ihnen Bescheid geben, wenn es so weit ist!